PressespiegelOsteuropa-Inst. - FU Berlin, 30. 01. 09 Berliner Literaturkritik, 12. 01. 2009 d|Roma, Herbst|Terno džend 2008 Frankfurter Allgemeine, 12. Sept. 2008
Ö1 Leporello, 3. September 2008 Neue Zürcher Zeitung, 8. August 2008 Zeitschrift für Volkskunde, Heft 2 2008 Der Standard, 26./27. April 2008
(...) Das Buch will "eine Bestandsaufnahme der derzeitigen Lebenssituation von Roma in Belgrad gewährleisten" (S. 11). Angesichts dessen, dass die Roma Europas größte Minderheit darstellen und trotz den Bemühungen der "Roma-Dekade 2005-2015"[3] noch immer ausgeklammert, diskriminiert und an den Rand gedrängt sind, ist dies Motivation genug. Eine Bestandsaufnahme gelingt dem Buch auf alle Fälle - über die Art und Weise mag man geteilter Meinung sein. Dem Stellenwert des Buches als einem Versuch, ungesehenes Elend mitten in Europa, das auch als Nebenerscheinungen von modernem Städtebau gelesen werden kann, sichtbar auf der Mikroebene zu beschreiben, tut dies keinen Abbruch. Als Einstieg in eine Beschäftigung mit der Materie, als Kennenlernen von Ort und Menschen ist das grafisch ansprechende und sorgfältig gestaltete Buch gern empfohlen. Nicole Münnich, Osteuropa-Institut - FU Berlin, 30. Jänner 2009
(...) (...) Monika Thees, Die Berliner Literaturkritik, 12. Jänner 2009
(...) I kenva del jek and dikipe
ando na soralo khetanipe le tschoripestar taj leskere
socijali naschipestar – te ande ada vilago o vakeripe pedar
i entsolidarisirung hi, akor o entsolidarisirti efekto le
tschoripestar anglo atscha peske te terdschonahi taj o igen
soralo dschumipe peske angle te terdscharnahi, savo upre jek
paschlol, te sako di odolestar iste dschis, so upro nojoskero
dombo lakes.
O barikanipe taj o latschipe ande aja kenva hi o
latscho pisinipe, savo gejng saki hamischanipe hi: Upre jek
harni roas Gazelate schaj but siklim ol. Michael Wogg, d|Roma, Herbst|Terno džend 2008
Das Buch, erschienen im auf Roma-Literatur spezialisierten Drava-Verlag, bietet einen reichen Einblick in den Alltag von Gazela. Der "Reiseführer in eine Elendssiedlung" ist mit seinen umfassenden Fotos, Wegeplänen, Übersetzungshilfen und nützlichen Adressen nicht nur ein symbolisches Format, sondern fordert zum freundlcihen Besuch de rMenschen und ihrer informellen Siedlung auf. Das Erkundungsteam blieb länger als bei Journalisten oder Hilfsorganisationen üblich. Jedoch fragt man sich schon an wen sich etwa de auf Deutsch publizierte Liste mit "Einkaufsmöglichkeiten" wendet? Letztendlich bleibe ich ratlos, ob diese Publikation als Stadt- und Sozialstudie, Kulturführer oder doch lieber als Foto-Kunst-Buch betrachten soll? Dieser ungewöhnliche Reiseführer ist die Arbeit dreier Kunststudenten aus Wien, denen mit dem Buch der Spagat zwischen wissenschaftlicher und künstlerischer Auseinandersetzung gelungen ist. Akribisch, sachlich, fast emotionslos, doch ganz klar Position beziehend schreiben sie den Alltag der Slumbewohner, meist Roma, und erzählen damit deren jüngere Geschichte in den Balkanländern. (...) Zwei Drittel einer jeden Seite sind dem Text und den Fotografien gewidmet. Im unteren Drittel ist eine Diskussion wiedergegeben, die bei der Präsentation der Arbeit im März 2008 stattgefunden hat und in der die Autoren ihre Motive, ihre Herangehensweise beschreiben und begründen. Das macht diesen Reiseführer, der eigentlich keiner ist, zu einem bewundernswerten Blick in ein extremes Gebiet europäischen Lebens. Nicole Rodriguez, HR online, 26. Juli 2008
(...) (...) Aggermann, Freudmann und Gülcü machen es sich nicht leicht. Sie klagen nicht einen Unsichtbaren an, sondern beschreiben, wie kam, was ist. Sie haben eine Anthologie des Alltags über das Leben in der Barackenwelt zusammengestellt, wo Kinder eine aus Sperrmüllfunden zusammengezimmerte Jugend verbringen, der meist ein kurzes Erwachsenenleben folgt. Michael Martens, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.09.2008
Ist Gazela eine Sehenswürdigkeit? Im eigentlichen Sinn des Wortes: ja. Mit dem Reiseführer ausgestattet, erhält man einen Einblick in den Alltag der Bewohner und lernt auch vieles über die serbische Mehrheitsgesellschaft, deren Rand die Siedlung markiert. Aber die Sache ist nicht unproblematisch. Denn die meisten Besucher werden sich fehl am Platz fühlen, wenn sie zwischen den Hütten aus Backstein, Plastic und Karton umherspazieren. Sollen sie den Coiffeur suchen, das einzige Gewerbe auf dem Areal? Oder die Wasserstelle begutachten, wo Frauen und Kinder mit Kanistern das oft verschmutzte Trinkwasser schöpfen? (...) (...) ahn, Neue Zürcher Zeitung, Online-Ausgabe, 08.08.2008
Ein ansprechendes Charakteristikum der einzelnen Texte, aber auch der gesamten Buches liegt in der großen Sensibilität im Umgang mit visuelle Eindrücken: nicht nur in den einzelnen Texten versucht man ein "klares" Bild der Lebensverhältnisse in der Siedlung zu zeichnen. Auch weist das graphisch ansprechend gestaltete Buch sehr viele großformatige Farbfotografien auf, die ebenfalls dazu dienen, Gazela visuell erlebbar zu machen. Collagenhaft und weitgehend kommentarlos montierte Bilder lassen ein Image entstehen, das ein Gefühl der Ohnmacht gegenüber dieser ungefilterten "Wahrheit" einer Elendssiedlung mitten in Europa vermittelt. Kulturwissenschaftlich betrachtet ist dieses Vorgehen nicht unproblematisch: Ungeachtet der Dichte der bildlichen Impressionen wird aus einem "Un-Ort" noch kein methodisch aufgeschlüsselter Ort. (...) Jan Hinrichsen, Österreichische Zeitschrift für Volkskunde, Heft 2 2008
[...] Sie machen einerseits ihren Anspruch an eine „notwendige“ Wissensproduktion geltend, vernachlässigen jedoch andererseits die Frage, welche Art von Wissen aus Sicht der Bevölkerung zu produzieren sei. Sie fügen sich einerseits in westliche, marktwirtschaftliche Förderstrukturen und kritisieren andererseits aus dieser Position heraus Politiken der Wirtschafts- und Währungsunion. Die Paradoxien führen in Summe zu einer beunruhigenden Ambivalenz, die dieser „Reiseführer“ in sich trägt, indem er der Abseitsstellung eines Stadtteils hinterherleuchtet, der damit nicht mehr unnahbar, sondern exotisch und geheimnisvoll anziehend wirkt. Christian M. Peer, Dérive, Juli-September 2008
„Das Wesentliche an einem Slum ist nicht die Armut, nicht die Gewalt, nicht die Arbeitslosigkeit, nicht der Verfall. Das Wesentliche eines Slums ist seine Unsichtbarkeit. Der Slum ist nebenan, aber man sieht ihn nicht.“ Karl-Markus Gauß hat auf seinen Reisen zu slowakischen Roma-Siedlungen sehr genau hingeschaut. Fündig geworden wäre er freilich auch in anderen Teilen Europas. Etwa in Serbien, in der Hauptstadt Belgrad. (...) (...) ku, Die Presse, Print-Ausgabe, 11.06.2008
(...) (...) Ute Woltron, Album/Der Standard, 26./27.04.2008
(…) Ohne diese Erfahrung zu idealisieren und daraus irgendwelche "romantische" Folgerungen zu ziehen, fragt man sich doch, wie es möglich ist, dass Menschen, die in solchem Elend leben, ihre Fähigkeit zu lachen nicht verloren haben. Das ist kein Plädoyer für den Erhalt der Siedlung "Beograd Gazela" im Zentrum von Belgrad und damit im Zentrum von Europa. Dieser "Reiseführer in eine Elendsiedlung" lehrt mehr über uns und unsere gesellschaftliche Verantwortung, als man das auf den ersten Blick merkt. Text: Radovan Grahovac
(…) (…) (…) (…) Rezension von Elena Messner
Drei Künstler aus Österreich haben einen Reiseführer für ein Belgrader Elendsviertel geschrieben. Auszüge aus einem Interview auf www.zuender.zeit.de Es gibt viele Elendsviertel, auch in Europa. Warum geht es in Ihrem Projekt um die Siedlung Gazela in Belgrad? Als wir an einer Ausstellung in Belgrad teilgenommen haben, fiel uns auf, wie präsent die Roma aus den Elendsvierteln im Stadtbild sind. (...) Gazela ist die exponierteste Armensiedlung in Belgrad, jeder, der in die Stadt fährt, hat Gazela gesehen. Wie haben Sie sich vorbereitet auf den Aufenthalt in der Siedlung? Zunächst haben wir versucht, Informationen zu sammeln, über Elendssiedlungen in Belgrad und die Stellung der Roma in der serbischen Gesellschaft. Doch die Informationen, die wir bekommen haben, waren nicht viel wert. Wir hörten die bekannten rassistischen Vorurteile (...) Wir haben auch mit Wissenschaftlern und Politikern gesprochen. Die warnten uns, es sei gefährlich in der Siedlung, wir hätten einiges zu befürchten (...) Gab es Konflikte mit Bewohnern, als Sie in die Siedlung gekommen sind? Nein. Die Bewohner haben uns herzlich aufgenommen. Wir haben versucht, sie nicht unter Druck zu setzen und ihnen Bedenkzeit gegeben, bevor sie mit uns reden. (...) Im Gegensatz zu vielen serbischen Journalisten sind wir betont höflich auf die Bewohner der Siedlung zugegangen. Wir wollten nicht einfach nur schnell irgendein Statement aus Ihnen herauslocken. Mit welchen Emotionen haben die Bewohner darauf reagiert, dass ihr Leben in ein Buch kommen soll? Viele fanden es interessant, sich mit jemandem zu unterhalten, der aus der Siedlung heraus berichten möchte und sich dafür viel Zeit nimmt. Aber es gab auch Bewohner, die sich schämten, unter solchen Umständen zu leben. (...) Der Großteil der Bewohner ist überzeugt, dass der momentane Zustand Unrecht ist und nicht sie selbst die Schuld daran tragen. Menschen von außen sollen deshalb erfahren, wie es in der Siedlung zugeht. War es deshalb besonders schwierig, diese Vielfalt im Buch angemessen darzustellen? Beim Schreiben war das eine große Herausforderung. Wir haben oft über einzelne Formulierungen diskutiert, und wir haben stark darauf geachtet, nicht zu verallgemeinern. (...) Ihre Beobachtungen sind nur eine Momentaufnahme der Situation in Gazela. Was ist seitdem passiert? Die Siedlung verändert sich ständig. Seit kurzem gibt es eine Wasserstelle in der Siedlung, was natürlich die Lebensumstände erheblich verbessert. (...) In diesem Frühjahr sollten die Bewohner von Gazela umgesiedelt werden. Die Aktion wurde abgesagt, wie andere zuvor. Trotz dieser negativen Erfahrungen verbinden die Menschen in Gazela immer wieder große Hoffnungen mit solchen Vorhaben. (...) Ein Pendeln also zwischen Hoffnung und Angst. Ständige Angst vor allem um den Lebensraum. Denn es gibt keine Garantie, dass bei einer Umsiedlung jeder Bewohner ein neues Zuhause bekommt. (...) Das prägt sehr stark den flüchtigen Charakter von Gazela (...) Fragen von Stefan Kesselhut
Im zentralen Stadtteil Novi Beograd nahe dem Hotel Intercontinental, nur zwei Kilometer von Belgrads Altstadt entfernt, leben geschätzte 820 Roma in dürftigen Hütten bei der Autobahnbrücke „Most Gazela“, von der sich der Siedlungsname ableitet. Diesen „blinden Fleck“ im Stadtzentrum wählten Freudmann und Gülcü als Thema ihrer Diplomarbeit an der Akademie der bildenden Künste Wien. Gemeinsam arbeiteten sie mir Künstlern und Interessierten, wie Co-Autor Lorenz Aggermann, an ihrem Reiseführer in eine Elendssiedlung. (...) Ihr Buch beschreibt in Kapiteln wie Essen und Trinken, Wohnen und Gesundheit die Probleme im Leben der Gazela Bewohner: etwa gewalttätige Übergriffe gegen Roma, die keine Seltenheit sind. Und die Täter müssen kaum Konsequenzen seitens der Behörden befürchten. Fehlende Versorgung mit Wasser und Strom sind ebenfalls Alltagsprobleme in der Gazela. Die Autoren bieten bewusst keine Patentlösung: „Das Buch ist mehr eine Dokumentation und dazu da, fehlendes Wissen zu vermitteln“ sagt Gülcü. (...) Das Ziel der Autoren war es, Bewusstsein zu schaffen „und eine Grundlage für weitere humanitäre oder kulturelle Projekte zu bieten.“ Den Bewohnern erklärten Freudmann und Gülcü, das Buch solle „dazu führen, dass Leute in die Siedlung kommen, es sich anschauen, Kontakte aufnehmen“. Ihre Leser sollen angeregt werden, sich tiefer mit der Gazela zu befassen. Denn für die lokale oder europäische Öffentlichkeit ist die Gazela kein dringliches Thema. „Viele Roma-NGOs beschäftigen sich eher mit Klientel, die ,gesettelter‘ ist“, meint Gülcü. Und westliche Hilfsorganisationen scheitern oft an ihrer schematisierten Herangehensweise und am Unwissen über die sozialen Strukturen. Aggermann fixiert das Problem: „Man sieht immer nur das Elend, aber bedenkt nie, dass es gewachsene Strukturen sind – sowohl ökonomisch als auch sozial.“ Artikel von Georg Horvath und Romana Riegler, Der Standard, 2. Oktober 2007
Reiseführer als Kunstprojekt über aus Österreich oder Deutschland nach Serbien abgeschobene Roma, die in der Stadt der KartonsammlerInnen landen. (...) "Wir wollten nicht so vorgehen, z. B. mit Hilfe von Erlebnisberichten sozusagen aus dem Mund der Siedlung zu sprechen, sondern eine Annäherung, die auf Respekt und Höflichkeit beruht, riskieren." "Man kann auch hingehen und ein Werk wie Kusturicas Filme machen. Diese schrägen Typen findet man überall", erklärt Can. Die künstlerische Zurückhaltung, die ohne Anekdoten auskommt, und der sehr nüchterne Stil des Reiseführers, sollen einer weiteren Emotionalisierung und Mystifizierung der Roma vorbeugen. "Es gibt viele Vorurteile über Roma, z. B. hört man oft: Egal, wie arm sie sind, sie sind glücklich", sagt Can. "Oder: Lustig ist das Zigeunerleben. Wir wollten auf die Bedienung klassischer Klischees verzichten und auch nicht pittoreske Armut darstellen", wirft Eduard ein. Und Can weiter: "Viele sagen, die wollen nicht anders leben, dabei sind Roma Opfer von sehr vielschichtigem Rassismus und Bürger letzter Klasse. Sie wollen nicht so leben, sondern sie müssen so leben. Man kann nicht jede missliche Lage damit erklären, dass sie eine andere Kultur haben. Aber man muss die speziellen Anforderungen einer Gruppe respektieren, wenn man an der Verbesserung ihrer Lebensumstände arbeiten will." (...) Artikel von Kerstin Kellermann, Augustin Juni 2007
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